
Harley Roadtrip an der Westküste — 2. Teil
Weiter geht die wilde Fahrt! Im ersten Teil ging es um die Vorbereitung, die Planung, die Route und die Anreise in die USA. Zur Zusammenfassung hier nochmal die Eckdaten: 4.000 Kilometer im März auf der Harley entlang der Westküste der USA und das Ganze nur mit Handgepäck. Was soll da schon schief gehen?

2. Tag: 700 Kilometer ab Los Angeles
Es ist halb fünf in der Früh und ich bin hellwach. Zum einen wird es der Jetlag sein, zum anderen meine Aufregung über das, was mich heute erwartet. Frühstück gibt’s erst ab halb sieben. Also nutzen wir die Zeit zum frischmachen und Sachen sortieren, um sie besser auf der Harley verstauen zu können.
Raus aus der Stadt!
Um halb acht, gleich nach dem Frühstück, starten wir dann endlich die erste richtige Etappe unseres Roadtrips. Erstes Ziel: Raus aus der Stadt, ab in die Natur von Kalifornien. Wir steuern auf die CA 2 in den Angeles National Forest und kurven die beliebte Strecke in die Berglandschaft gleich hinter der Mega-City hinauf.

Ich bin überrascht, dass wir nach so kurzer Zeit in der schönen Natur gelandet sind, obwohl wir gerade noch in Los Angeles waren. Doch die plötzliche Schräglage und das Kratzen von Metall auf dem Asphalt reißen mich aus meiner Träumerei!
Christian, völlig im Motorrad-Fieber, genießt natürlich gleich die Serpentinenstraße voller Kurven auf seine Art und testet die Grenzen der Harley aus. Das Kratzen stammt von den Fußrasten, die langsam aber sicher an unserer Harley kleiner und kleiner werden. Auch wenn mir regelmäßig das kratzende Geräusch des Metalls einen Schauer über den Rücken jagt, lässt die traumhaft schöne Landschaft meine Angst und Wut verschwinden. Es ist einfach zu schön für negative Gedanken oder Gefühle! Die Landschaft erinnert mich an die Ferienorte aus amerikanischen Filmen. Idyllische Berg- und Waldlandschaften mit einsamen Hütten und riesigen abgerundeten Felsen, die mich sogar ein wenig an die Seychellen erinnern. Bis auf den hier und da auftauchenden Schnee und die immer kälter werdenden Temperaturen vielleicht…
Und nun zum Wetter
Wir brettern entlang der CA 2, immer höher und höher, der Schnee wird immer mehr. Plötzlich taucht vor uns eine Nebelwand und eine Straßensperre auf, die wir um ein Haar umgenietet hätten. Toll, und was jetzt? Es gibt ziemlich genau einen Weg zurück, also geht’s wieder aufs Bike. Gezwungernermaßen bewundern wir die Schönheit der Strecke aus einem anderen Blickwinkel.

Nach einer Stunde Fahrt biegen wir dann nach links ab Richtung Palmdale. Wir fahren wieder kräftig bergab und die Temperaturen steigen, was eine willkommene Abwechslung zur eisigen Kälte ist. Wir umfahren den letzten Teil des Angeles National Forest und begeben uns in den San Bernadino National Forest gleich nebenan.
Auch hier erwarten uns Traumstraßen für Motorradfahrer — Kurven soweit das Auge reicht, was für mich heißt: weiter um die Fußrasten bangen. Das Wetter ist ein Traum! Strahlender Sonnenschein erwartet uns, was die Landschaft mit den schneebedeckten Berggipfeln umso schöner aussehen lässt. Vorbei an Skigebieten und Snowtubing Parks voll mit Wintersportlern fahren wir entlang der California State Route 18 zum Big Bear Lake. In Big Bear Lake City legen wir eine kurze Verschnaufpause im Lumber Jacks Cafe ein. Nach einem kurzen Aufwärmen in dem indianischen Cafe besprechen wir wie wir den Tag heute enden lassen wollen. Anschließend cruisen wir entlang der California State Route 38 Richtung Palm Springs.

Ende der Kurven und verdienter Sundowner
Am Rande des San Bernadino National Forest ist dann zunächst Schluss mit Serpentinenstraßen. Es erwarten uns knapp 55 Meilen Interstate. Je weiter wir ins Landesinnere fahren, desto mehr steigen auch die Temperaturen wieder. Wir können endlich unsere Zwiebelschicht an Klamotten nach und nach ablegen bevor wir gegen 15 Uhr in Palm Springs ankommen.
Ein schöner Ort, schick, sauber und sehr gepflegt mit grünen Vorgärten. Doch aufgrund der Übernachtungspreise entscheiden wir uns für die Weiterfahrt ins fast 200 Meilen entfernte Lake Havasu City, was Christian von einem Vorjahrestrip noch positiv in Erinnerung hatte.
Vorbei am Joshua Tree Nationalpark, geht’s auf die California State Route 177. Bis auf ganz wenige Ausnahmen verläuft diese Straße tatsächlich fast 27 Meilen geradeaus. Die Sonne geht unter, Christian klagt zunehmend über schmerzende Augen durch den Fahrtwind und Staub, da er keine Brille dabei hat und mir tut auch langsam der Hintern von der Sitzerei weh. Wann sind wir da? Wie lang noch? Ich muss mal!
Um 18 Uhr, nach knapp 420 Meilen Tagesetappe, kommen wir dann endlich in Lake Havasu City an. Wir werfen alles Gepäck ins Hotelzimmer und machen uns gleich auf den Weg zu einer Pizzeria, die ich über Tripadvisor geortet habe. Auf dem Balkon von Papa Leone’s Pizza machen Christian und ich es uns bequem und genießen den romantischen Ausblick auf die ausgeleuchtete Promenade und die London Bridge.
Todmüde fallen wir dann nach dem kurzen Spaziergang zurück zum Hotel in unsere Betten und verschwinden ins Traumland.
3. Tag: Route 66, Scenic Byways und Texas Roadhouse!
Morgenstund hat Gold im Mund! Aufsatteln! Die ersten Sonnenstrahlen leuchten über die Bergspitzen und wir brechen mit Sack und Pack auf. Nach einer kurzen Tour durch die Stadt, die wir gestern nur im Dunkeln erahnen konnten, zieht es uns nach einem Stopp am schönen Lake Havasu in Richtung Kingman.
Das ist die Route 66?!
Unser vorerst nächstes Ziel ist also Kingman, von wo aus wir einen Teil der historischen Route 66 abfahren wollten. Dort angekommen erwartet uns strahlender Sonnenschein und angenehme 17 Grad. Allerdings war in der Stadt ziemlich tote Hose. Wow, das soll also die historische und weltbekannte Route 66 sein? Es ist klar, dass die Stadt an der Route 66 liegt, durch viele Schilder und Straßenbemalungen, aber da hatte ich mir mehr vorgestellt. Nachdem wir Kingman durchfahren haben, wurde es leider nicht besser. Vor uns liegen gute zwei Stunden Fahrt durchs Nichts: Die Landschaft ist ziemlich öde, unspektakulär und vor allem einsam, es fehlen nur doch die Heuballen, die über die Straße kugeln, wie in einem alten Western.

Nach einigen Kilometern fuhr Christian rechts ran und fragte mich, wo wir überhaupt sind, diesen Teil wäre er letztes Jahr nicht gefahren. Also prüfte ich meine Routenplanung und musste dann einen großen Fehler feststellen. Ich war davon ausgegangen, dass es nur einen historischen Abschnitt der historischen Route 66 auf unserer Reiseroute gibt und der in Kingman starten und Seligman enden würde.
Wir hätten allerdings kurz nach unserem Start in Lake Havasu City schon auf die Route 66 abbiegen müssen, wo uns ein belebterer und touristischerer Teil der historischen Route 66 erwartet hätte. Beispielsweise kennt man Oatman durch freilaufende Esel und verrostete Karosserien am Seitenrand. So wie man sich nun mal die Route 66 vorstellt. Aber leider war es jetzt zu spät. Umdrehen und den Teil nachholen hätte uns gute zwei Stunden gekostet, die wir nicht hatten — also bye bye Oatman. Ich könnte mir in den Arsch beißen!
Ende in Sicht!
Endlich ist Seligman in Sicht. Nach 140 Kilometern erreichen wir das kleine und unspektakuläre Örtchen. Wir stürmen den ersten Souvenirladen, da Christian und ich gebrauchte und alte KFZ-Kennzeichen von unseren Urlauben sammeln. Und wir werden fündig: Kalifornien, Arizona und Utah werden eingekauft und warten darauf, an unsere Wände gehangen zu werden. Nach der erfolgreichen Ausbeute starten wir Richtung Red Rock State Park in Arizona. Zur Abwechslung geht es typisch amerikanisch mal wieder geradeaus.
Nach einem ziemlich eintönigen Abschnitt biegen wir auf die AZ 89A ab. Dort geht es endlich wieder die Berge hinauf auf die Mingus Mountain Scenic Route. Christian legt die Harley wieder tief in die Kurven. Wieder kratzen wir mit den Fußrasten über den Asphalt und preschen den Arizona Scenic Byway hinauf. Oben auf den Bergen angekommen, geht die Fahrt wieder bergab, doch hier überwältigt uns der atemberaubende Ausblick auf die riesigen, roten Felsformationen in der Ferne, dem Red Rock State Park. Sofort am nächsten Aussichtspunkt halten wir an und nehmen uns die Zeit, diese Kulisse in Ruhe zu bestaunen.
Was ist ein Scenic Byways?
Vielleicht fragst du dich was überhaupt ein Scenic Byway sein soll. So werden hauptsächlich in den Vereinigten Staaten Straßen genannt, die einen gewissen historischen oder kulturellen Wert haben oder besonders beeindruckende und schöne Natur bieten. Ich kann dir diese Straßen nur sehr ans Herz legen, denn die Scenic Byways sind wohl der Teil meiner Reise, von dem ich meinen Kollegen am häufigsten vorschwärme.
Vorbei am charmanten Ort Jermone am Ende der Mingus Mountain Scenic Route und durch Cottonwood cruisen wir an das südliche Ende des Red Rock Scenic Byway auf der AZ 179. Der Red Rock Scenic Byway führt direkt durch den gleichnamigen Red Rock State Park. Vor uns türmen sich erneut die riesigen Felsformationen aus rotem Gestein und versetzen uns abermals ins Staunen. Dieser State Park kam recht spät zu meiner Planung und meine Erwartungen waren nicht sonderlich hoch. Doch sie wurden mehr als nur übertroffen! Bist du in dieser Gegend unterwegs, solltest du unbedingt Zeit mitbringen. Empfehlenswert ist auch, dass ihr den Scenic Byway entlang der AZ 179 von Süden nach Norden fahrt. Dort sind die Ausblicke einfach besser.

Von der AZ 179 wechseln wir wieder auf die kurvige AZ 89A und die Oak Creek Canyon Scenic Road gen Norden, die uns dann zu unserem Übernachtungsort Flagstaff bringt. Lange habe ich auf diesen Moment gewartet: Hier gibt es ein Texas Roadhouse. Vom Hotel aus laufen wir knapp 1,5 Kilometer die Straße herunter und schlagen uns den Magen in der amerikanischen Restaurant-Kette voll. Abermals kugelrund und hundemüde geht’s dann wieder die 1,5 Kilometer zurück, wo unsere Hotelbetten uns sehnsüchtig erwarten.

4. Tag: Der Grand Canyon
Die 550 Kilometer von gestern stecken mir noch in den Knochen als wir aufwachen. Aber schnell weicht dieses Gefühl der Vorfreude auf den heutigen Tag. Das erste “echte” Highlight steht auf dem Programm: Der weltberühmte Grand Canyon!
Voller Vorfreude und gestärkt vom Frühstück starten wir unsere Tour entlang der San Francisco Peaks Scenic Road durch den Coconino National Forest in Richtung Norden. Die Temperaturen sinken mittlerweile bis auf null Grad. Um uns herum taucht Schnee auf, während der eisige Gegenwind die Situation nicht besser macht. Nichtmal die Skiunterwäsche bewart uns jetzt noch vorm Zähneklappern. Ein ziemlich großes Trostpflaster ist trotz der Kälte die Landschaft. Wie gemalt, mit schneebedeckten Bergen hinter den idyllischen Wäldern und der lachenden Sonne mit fast wolkenlosem, blauem Himmel, vergisst man schnell alles andere.

In Tusanay, an der Grenze zum Grand Canyon National Park, stoppen wir für eine Kaffeepause. Wir schlürfen unser Heißgetränk im McDonalds, entdecken weitere Deutsche am Tisch nebenan und starten schließlich in Richtung Eingang des Grand Canyon National Parks. Es empfiehlt sich relativ früh zur Tagesöffnung dort zu starten, um langen Warteschlangen und den Menschenmassen aus dem Weg zu gehen. Außerdem entscheiden wir uns dafür, nicht nur den einzelnen Parkpreis zu zahlen, der bei ca. 30 USD pro Fahrzeug liegt, sondern gleich einen Annual Pass für ca. 80 USD pro Fahrzeug. Damit bekommst du zusätzlich weitere Eintritte für National Parks in der Region in einem Ticket und das natürlich deutlich günstiger (mehr dazu in den Tipps & Tricks später).

Der Grand Canyon National Park startet mit einer für mich überraschenden Landschaft aus Nadelwald, der akkurat und aufgeräumt wirkt. Ich hatte ein eher kahles Terrain erwartet, das recht schnell in tief einschneidende Canyons übergeht. In dem märchenhaften Wald spiegeln sich noch die letzten verbrannten Überreste aus der vergangen Saison wieder, doch auch die verbrannten Baumstämme oder ganze Bäume ändern nichts an der Schönheit des Waldes.

Horseshoe Bend
Wir cruisen mit unserer Harley entlang der kurvigen Straße durch den Grand Canyon National Park am South Rim und genießen die warmen Sonnenstrahlen in dem windgeschützten Gebiet. Und während wird so daher fahren und die Sonne genießen, erwartet uns der erste Aussichtspunkt, der mich gleich ins Staunen versetzt. Man kennt den Grand Canyon und seine Abgründe von zahlreichen Bildern und Videos, doch jetzt wo ich es live gesehen habe, muss ich sagen, dass diese Aufnahmen einfach nicht das widerspiegeln können, was man dort zu sehen bekommt. Diese wahnsinnigen Dimensionen sind nicht in Worte, Bildern oder Videos zu fassen. Die musst du mit eigenen Augen gesehen und bestaunt haben!
Nachdem wir den ersten Teil des Grand Canyons also auf meiner To-Do Liste abgehakt haben, geht es weiter gen Norden nach Page am Lake Powell. Der Weg dorthin ist geprägt von einer kahlen Landschaft, aber beeindruckenden Bergketten, die die nächsten ca. 2,5 Stunden Fahrt auch nicht langweilig werden lassen.
Kurz vor Page erwartet uns der wohl bekannteste Aussichtspunkt des Grand Canyons, der Horseshoe Bend. An diesem Punkt schlängelt sich der Colorado River hufeisenförmig um das rote Gestein der Schlucht und formt so einen einmaligen Ausblick, den wohl die ganze Welt kennt. Allerdings muss man den Besuch des Horseshoe Bends nochmal separat zahlen (ca. 5 USD). Das und die 15 Minuten Fußweg lohnen sich allerdings für diesen beeindruckenden Ausblick.

Nach unserem letzten Tagesstopp geht es dann kurz ins Hotel und schnell in eine Bar, in der wir noch die letzten Sonnenstrahlen des Tages bei einem kühlen Bier genießen können. Nur wenige Meter von unserem Hotel ist die State 48 Tavern, die Karte sagt uns zu, die Location ist im DIY Industry-Look und die Kellnerinnen aufgeschlossen; perfekt um unseren Tag ausklingen zu lassen. Bis bald!


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