
Dicke Füße — Tipps für Langstreckenflug!
“Cand. med., B. Sc. Physiotherapy Felix Jung”. Und in Sachen Titeln ist noch kein Ende in Sicht. Heute gibt es einen besonderen Klugscheißer für dich: Der angehende Doktor der Medizin, Felix, berichtet heute, was über den Wolken bei einem Langstreckenflug mit deinem Körper bzw. genauer mit deinen Beinen passiert. Und natürlich auch was du ihnen Gutes tun kannst.
Selbstversuche in Form von Roadtrips nach beispielsweise Kanada oder La Réunion hat er bereits unternommen und ist daher der perfekte Ratgeber für deinen nächsten Trip! Viel Spaß beim Lesen!
Der nächste Traumurlaub steht an?
Großartig! Die paradiesischen Ziele dieser Erde sind zwar häufig gar nicht weit entfernt, können aber auch am anderen Ende der Welt liegen. Und wer nicht gerade wochenlang mit dem eigenen Auto oder per Schiff unterwegs sein möchte, nimmt das Flugzeug. Die schnelle Reisemöglichkeit oberhalb der Wolken hat allerdings auch ihre Nachteile: Wenig Bewegung und begrenzte Beinfreiheit.
„Ein Langstreckenflug kann gefährlich für den Blutfluss sein“ – hast du das auch schon mal gehört? Und sogar den Rat bekommen Thrombosestrümpfe anzuziehen oder irgendwelche Hausmittelchen zu nehmen? Nun, hier wollen wir mal ein bisschen klugscheißen und uns den Sachverhalt genauer ansehen:
Also, wir stellen uns mal vor, wir sitzen die nächsten elf Stunden im Flugzeug von Paris nach La Réunion im indischen Ozean. Nachdem wir abgehoben sind, die erste Mahlzeit genossen und den ersten Film geschaut haben, merken wir, dass die Socken doch etwas mehr drücken als sonst. Also Socken ausziehen? – Nein, tut den anderen Fluggästen das bitte nicht an.
Zauberwort Thrombose
Was passiert ist, ist ganz natürlich und kein Grund zur Beunruhigung. Die Schwerkraft sorgt dafür, dass die Flüssigkeit in unserem Körper weiter nach unten in Richtung unserer Füße sinkt. Dadurch weiten sich unsere Beinvenen. Diese haben weniger Wandmuskulatur als unsere Arterien und sind damit elastischer. Zudem gehören die Venen zum sogenannten Niederdrucksystem. Das Blut fließt also mit deutlich weniger Druck als in den Arterien – deswegen tropft das Blut nur bei einer Verletzung der Vene aber es spritzt im Takt des Herzens bei einer Verletzung der Arterie..
Das Blut bleibt aber nicht in den Beinvenen stehen, sondern wird langsam durch das nachfließende Blut in Richtung des Herzens gedrückt. Venen besitzen weiterhin eine Vorrichtung, die das Stocken des Blutflusses verhindert: Die Venenklappen. Diese bilden im Abstand von einigen Zentimetern immer wieder eine Art Ventil, das dafür sorgt, dass das Blut nur in die richtige Richtung fließen kann. Wenn das Blut längere Zeit stehen bleiben würde käme es zur Gerinnung. Ähnlich wie bei einem Bluttropfen nach einem kleinen Stich in den Finger verfärbt sich das Blut nach kurzer Zeit leicht dunkel und der Tropfen verändert seine Konsistenz von flüssig zu leicht fest, es ist ein Thrombus entstanden.
Blut, Blut überall Blut
Dieses Blutklümpchen heißt so, weil es durch Bestandteile des Blutes, den Thrombozyten, geformt wurde. Thrombozyten werden unter anderem durch Verletzungen einer Gefäßwand, aber auch durch Stillstand des Blutes aktiviert. Dadurch „verkleben“ die anderen festen Blutbestandteile miteinander. Für die Wundheilung ist das ein exzellenter Mechanismus, bei manchen Erkrankungen kann es aber auch ungünstig sein. Wenn dann ein solcher Thrombus durch die Blutbahn in die Herzkranzgefäße oder die Lungengefäße kommt, kann es im worst-case zu einer Venenthromboembolie (VTE) kommen. Das kann aber bei einem normal gesunden Menschen auf einem Langstreckenflug nicht passieren!
Das sieht auch die “Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften” in ihrer aktuellen Leitlinie zur Thromboseprophylaxe sinngemäß so: „Ein Langstreckenflg birgt ein kaum quantifizierbares VTE-Risiko und erfordern keine speziellen Prophylaxemaßnahmen“ — https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/003–001.html. Also erstmal Aufatmen und die Strümpfe und die Medikamentenbox der Oma und dem überfürsorglichen Onkel zurückgeben.
Falls du aber bereits Vorerkrankungen hast, die die Blutgerinnung, das Herz oder das Gefäßsystem betreffen, berät dein Hausarzt dich gerne zum Thema Langstreckenflug. Dann kann es sinnvoll sein, Thrombosestrümpfe zu tragen. Diese pressen das Blut aus den Beinen von außen nach oben.
Sexy Füße gibt’s erst nach dem Langstreckenflug
So nun bleiben aber noch die geschwollenen Knöchel und die schweren Beine… Woher kommen die genau? Ist das auch das Blut in den erweiterten Venen?
Nicht ganz, die Gefäßwände sind durchlässig für Blutplasmabestandteile (Blutplasma ist der Teil des Blutes, welcher keine Blutzellen enthält). Durch weiter nachfließendes Blut in die Venen erhöht sich nun der Druck dort. Eben dieses Plasma wird durch die Venenwände in umliegendes Gewebe gepresst. Das ist dann der Zustand den wir als geschwollene Füße wahrnehmen und in Fachsprache als ‘Ödem‘ bezeichnet wird. Diese Flüssigkeit muss dir aber erst mal gar keine Sorgen machen!
Klar sehen wir mit geschwollenen Füßen nach einem Langstreckenflug nicht super sexy aus, aber bis zum Strand ist die Schwellung schon wieder weg, versprochen! Sobald wir nämlich wieder aus dem Flugzeug aussteigen und uns weiter bewegen fließt das Blut in den Venen wieder schneller und die Flüssigkeit wird teilweise direkt wieder durch ein Konzentrationsgefälle über die Gefäßwände eingesogen und im Gewebe um die Kapillaren (Übergang feinster Arterienäste in feinste Venenäste) über Lymphkollektoren gesammelt. Diese Kollektoren sind ein Bestand des Lymphsystems, das Flüssigkeit, Fette, Immunzellen und andere lösliche Bestandteile aus dem Gewebe den Rumpf hinauf in die Venen transportieren.
Kann ich überhaupt etwas dagegen tun?
Klar, es gibt ein paar einfache Übungen, um den Blutfluss in den Beinen zu verbessern und so die Flüssigkeit in den Beinen zu verringern. Muskelbewegung ist das Zauberwort! Denn Muskeln sorgen nicht nur für Bewegung in Gelenken, sondern auch über die Muskelpumpe für Bewegung des Blutes in den Venen. Hierzu solltest du am besten die venennahen Muskeln, wie die Waden, Adduktoren und Bauchmuskeln anspannen.
- Tipp 1: Einfach mit den Füßen auf und ab wippen von den Zehenspitzen auf die Fersen und wieder zurück. Dabei werden die Wadenmuskeln angesteuert und drücken das Blut langsam aus den Unterschenkeln in Richtung Knie nach oben
- Tipp 2: Schnappt euch ein Kissen oder eine Decke aus dem Flugzeug und legt sie zwischen eure Knie. Drückt dann die Knie mit euren Adduktoren zusammen. Dadurch beansprucht ihr die Oberschenkelinnenseite und auch die Bauchmuskeln können nicht anders als mit anzuspannen. Den Druck haltet ihr ca. 6 Sekunden und lasst danach wieder locker und wiederholt das Ganze.
- Tipp 3: Tiefes und bewusstes Atmen in den Bauch. Durch die Bauchatmung kommt es immer wieder bei Ausatmung zu einem leichten Unterdruck in den Bauchvenen, wodurch das Blut aus den Beinvenen leichter nach oben abfließen kann.
- Tipp 4: Bucht euch einen Platz in der einer vorderen Reihe oder am Notausgang, dort ist die Beinfreiheit meist größer und ihr könnt eure Beine besser bewegen. Auch mal aufstehen oder einen „Spaziergang“ zur Toilette kann helfen.
- Tipp 5: Redet mit euren Mitreisenden, spielt Karten, plant die kommenden Ausflüge oder lacht zusammen. Dadurch kommt ihr automatisch auch im Sitzen ein wenig in Bewegung und euer Kreislauf kommt in Schwung. Auch das hilft den Blutfluss zu verbessern und macht die Reisezeit gefühlt kürzer!
Also keine Bange vor dem nächsten Langstreckenflug, aus medizinischer Sicht gibt es keinen Grund sich Sorgen zu machen!
Viel Spaß und Vorfreude auf den nächsten Traumurlaub wünscht dir euer Klugscheißer,
Cand. med., B. Sc. Physiotherapy Felix Jung
Wenn du weitere Tipps für deinen Langstreckenflug haben möchtest, lass es uns in den Kommentaren wissen!


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