
6.666 km für ein Kamel — 2. Teil
Im zweiten Teil meines Berichts zu meiner Allgäu-Orient-Rallye 2014 stelle ich dir unser Team — die Hachenburger Frischlinge — vor und erzähle dir von unserem wilden Ritt über die Alpen, der atemberaubenden Fahrt entlang der Adria-Küste und dem nervenaufreibenden Sprint nach Istanbul. Also: Schnall dich an & ab geht’s!
Mein Team: Die Hachenburger Frischlinge. Wer steckte 2014 eigentlich dahinter?
- Detlef Nink, Polizist & Frohnatur. Aufgaben im Team: Schriftführer und Routenplaner (master of the maps)
- Markus Windhagen, Schreinermeister und leidenschaftlicher Sänger. Aufgaben im Team: 2. Vorsitzender, Umbauten (master of datt-könne-mir-su-mache)
- Bruno Meder, Polizist und Organisationstalent. Aufgaben im Team: Organisator und Planer (master of mir-packen-watt-an)
- Stefan Andres, Werkstattmeister und Abenteurer. Aufgaben im Team: Fahrzeuge und Team-Mitglieder am „Fahren halten“ (Master of mir-komme-an)
- Markus Grodtmann, Geschäftsführer eines Pharma-Unternehmens und Familienvater. Aufgabe im Team: Master of Medical Equipment & Rescuemanager (wo tut´s weh, ich helfe gerne…)
- Ich, Chef von Select Holidays und leidenschaftlicher Roadtrips-Fan. Aufgaben im Team: 1. Vorsitzender, Spenden&Sponsoren (master of wer-kann-us-helfe), Charity (master of wem-künne-mer-helfe)

Am 03.05.2014 fällt dann endlich der Startschuss zur Allgäu-Orient-Rallye. Aber anstatt mit qualmenden Gummis die ersten Kilometer unter die Räder zu nehmen stehen wir… stundenlang. Denn jedes Rallye-Fahrzeug muss zunächst durch die technische Abnahme. Dann erst darf es über die Start-Rampe.

Bei der technischen Abnahme fällt unser Volvo auf, weil er fast Neuwagen-Charakter hat. Ja, die Kiste haben wir tatsächlich für nur € 670,00 bei Ebay ersteigert — obwohl sie erst 167.000 km runter hat, checkheft-gepflegt ist und vom Vorbesitzer echt top in Schuss gehalten wurde. Das Organisations-Komitee möchte uns die Zulassung verweigern und fragt: “Warum sollen wir euch glauben, dass dieser Volvo weniger als Euro 1.111,- wert ist?” Unsere Antwort: “Schaut euch mal die Typen an, die drin sitzen… die mindern den Wert immens!” Das Argument zieht und wir dürfen auf die Startrampe. Mit einem ordentlichen Burn-Out geht es nun endlich los.

Am ersten Tag stehen einige Sonderprüfungen an, die einen Vorgeschmack auf das eröffnen, was uns die nächsten 3,5 Wochen erwarten wird: Chinesische-Rallye (google es mal selbst), Reifen wechseln und Fotos vom Grenzübergang schießen.
Am späten Nachmittag nehmen wir die Alpenüberquerung endlich in Angriff. Nochmals zur Erinnerung: Autobahnen und Navis sind tabu. Also Karten raus und über den immer wieder schön zu fahrenden Fernpass nach Österreich.

Eine Aufgabe des kompletten Allgäu-Orient-Rallye-Tross ist es, Nahrung für die Flüchtlingslager in Jordanien zu sammeln. Hierzu müssen während der Rallye mehr oder weniger sinnlose Gegenstände (Kugelschreiber, Feuerzeuge, Strumpfhalter…) gegen 500gr Reis-Pakete getauscht werden. Klingt simpel und tröge. Aber das ist es nicht! Durch diese Aufgaben kommen wir mit irre vielen Menschen entlang der Route ins Gespräch und erleben die kuriosesten Situationen. Beispiel gefällig?
In der Nähe von Innsbruck kommen wir an einer Polizei-Station vorbei. Da zwei unserer Team-Mates ihre Brötchen als Ordnungshüter verdienen, ist ein Besuch der österreichischen Kollegen Pflicht. Dass wir mit drei heillos überladenen Kombis freiwillig auf den Hof der Polizei-Station fahren, sorgt für Aufmerksamkeit. Als wir dann noch Ansprüche auf die Reis-Rationen der Polizisten erheben, wird es lustig. 30 Minuten später und um 1 Kilo Reis reicher setzen wir den Weg sofort.

Über die alte Brennerstrasse — ein echtes Highlight, dass ihr auch einmal ausprobieren solltet — geht es später von Österreich nach Italien.
Im Vorfeld der Tour machte uns die Übernachtungsregel am meisten Sorgen. Daher zählen Zelte und warme Schlafsäcke zu unseren Ausstattungsgegenständen. Aber diese sollten wir erst einmal gar nicht benötigen. Schon für die erste Nacht werden wir vom einem befreundeten Hotelier in Südtirol eingeladen. Zum Freundschaftspreis von € 11,11 pro Person und Nacht (dem regelkonformen Maximalbudget für eine Übernachtung). Wer würde da schon nein sagen? Als wir kurzerhand dann auch noch von einer Familie zum Abendessen eingeladen werden, ist unser Glück perfekt. So kann es weitergehen.

Schon am ersten Tag liegen wir in unserem Zeitplan zurück und brechen daher schon früh von Rodeneck in Südtirol auf, überqueren den 1648 Meter hohen Kreuzbergpass (Fotostopp im Schnee!) und steuern auf das Mittelmeer zu.

In Rodeneck hatte Detlef sein Waschzeug vergessen. Daher deckt er sich noch in Italien mit neuen Utensilien ein — die er beim nächsten Stopp dann wieder liegen lässt. Körperhygiene wird eh überschätzt.
Über Slowenien kommen wir nach Kroatien und verfahren uns hier zum ersten Mal. Der Umweg führt uns ins das Hinterland. Dort erfahren wir, was der Bürgerkrieg vor gut 2 Jahrzehnten mit dem Land gemacht hat. Viele Ruinen und Häuser mit Einschusslöcher sind hier und heute noch stumm zu bestaunen.


Am späten Nachmittag dann das nächste Kapitel aus der Rubrik “Unverhofft kommt oft”. Markus G. bekommt einen geschäftlichen Anruf. Als er versucht, den Anruf mit den Worten “Ich fahre ne Rallye und bin gerade in Kroatien” abzuwimmeln, erwidert dieser: “Echt? Cool. Meine Schwiegereltern haben dort eine Pension. Ich frag mal, ob ihr dort übernachten könnt”. Zufälle gibt es tatsächlich. Die Pension ist herrlich — direkt an einem verträumten Hafen gelegen — und so kommen wir auch in dieser Nacht darum herum, die Zelte aufzubauen.

Am nächsten Morgen verlassen wir die kroatische Küste, schrauben uns uns über eine Passstraße in die Höhe und gelangen wenig später nach Bosnien und Herzegowina. Ganz ehrlich: Dieses Land hatte ich nicht auf meiner Bucket-List und war daher mehr als nur erstaunt: Dieser Fleck Erde ist wunderschön — die Hochebenen erinnern an Schottland und die Menschen sind super freundlich.

Gegen Mittag erreichen wir Sarajevo. Eine Stadt, die noch heute das Erbe des Bürgerkriegs in sich trägt. Einschusslöcher sind auch hier überall noch sichtbar. Es wird ruhig in unseren Autos. Ein Kloss steckt uns im Hals.

Nach etwa einer Stunde guter Landstraße erwartet uns das Highlight des Tages: Unsere erste Offroad-Strecke. Eine Landstraße endet plötzlich und vor uns liegt eine verlassen Bahnstrecke, die mit Schotter zugekippt wurde. Was machen? Umdrehen?

Auf keinen Fall! Los geht’s: Wir brettern die nächsten 20 km über die alte Bahnstrecke, die noch nicht einmal das Niveau eines Feldwegs hat. Es macht irre viel Spaß und nach einer Stunde erstrahlen unsere Autos im neuen “Glanz”: Voll mit Schlamm und Staub!

An der Grenze zu Serbien dann der erste echte Tiefpunkt: da wir Hilfsgüter an Bord haben, wird uns die Einreise verweigert. Diese hätten im Vorfeld deklariert werden müssen. Wir sollen einen Bogen um das Land fahren. So viel Zeit haben wir aber nicht. Wir sind eh spät dran.
Bruno — unser Organisations-Talent — ist gut vorbereitet und ruft sofort die deutsche Botschaft in Belgrad an. Von dort aus setzt man sich mit den Grenzbeamten in Verbindung und auf einmal geht alles schnell: Wenn wir ohne Stopp und auf direktem Weg durch das Land fahren, dürfen wir passieren. Geht klar!

Wir kommen viel langsamer voran, als geplant. Morgen mittag sollen wir in Istanbul sein, aber wir haben gerade mal etwas mehr als die Hälfte der Distanz geschafft. Am späten Nachmittag beraten wir die Situation. Einen Tag später in Istanbul ankommen und Strafpunkte riskieren? Oder die Nacht durchfahren? Über Landstrassen, deren Qualität sicherlich nicht super sein wird? Wir entschliessen uns dennoch für das Durchfahren und setzen unseren Roadtrip fort. Was uns dann erwartet, ist hart: Die Nacht der langen Messer — LeMans lässt grüßen.

Hinterher ist man immer schlauer: Das war eine dumme und zugleich gefährliche Idee, denn uns stecken die letzten Tage in den Knochen. Ich erinnere mich noch, dass ich kurz hinter Sofia in Bulgarien schon nach nur 30 Minuten Fahrt so müde war, dass ich das Steuer wieder an Markus übergeben muss. Das Team stärkt sich mit doppelten Espressi und ich nehme auf dem Beifahrersitz Platz. 2,17 Sekunden später schlafe ich tief und fest.
Vor der Grenze in die Türkei sind wir ausgiebig gewarnt worden. Entsprechend überrascht sind wir, als man uns nach kurzem Check der Unterlagen ins das Land einreisen lässt.

Seit unserer Abfahrt in Kroatien sind nun schon deutlich mehr als 24 Stunden vergangen, ohne dass sich unsere Volvos — und deren Besatzung — einmal erholen konnten. Und vor uns liegen noch ein paar Stunden bis wir in Istanbul sind. Aber die Landstrasse ist eine Traum und die Reisegeschwindigkeit entsprechend hoch. Nach 4 oder 5 weiteren Stunden erreichen wir die Ausläufer der Millionen-Metropole.

Ohne Navi und im Gewühl von tausenden rauchenden und hupenden Autos und LKWs kämpfen wir uns bis zum “Sultanahmet Platz” vor. Dort — unmittelbar vor der “Blauen Moschee” — schlägt der Allgäu-Orient-Rallye-Tross für die nächsten beiden Nächte das Lager auf.

Nach 35 Stunden Non-Stop-Fahrt erreichen die Hachenburger Frischlinge als 14. Team das Zwischenziel in Istanbul. Wahnsinnsleistung, da wir in Oberstaufen noch als 67. Team über die Start-Rampe gefahren waren. Hochzufrieden und komplett am Ende gönnen wir uns erst einmal ein kühles Bier und fallen am Abend todmüde ins Bett.

Im nächsten Beitrag erfahrt ihr mehr über die aufregende Zeit in Istanbul, unsere wilde Fahrt nach Asien und die ersten Nächte im Zelt während der Allgäu-Orient-Rallye. Ach ja, und über unseren ersten technischen Ausfall, der uns alles abverlangte. Stay tuned!



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