
6.666 km für ein Kamel — 5. Teil — das große Finale!
Heute nehme ich dich mit auf die finale und sicherlich spannendste Etappe meines Allgäu-Orient-Abenteuers. In den ersten vier Beiträgen hast du erfahren, warum wir uns mit 3 alten Kombis auf den Weg nach Jordanien gemacht haben.

Der letzte Blog endete mit der Verschiffung unserer Rallye-Volvos von der Türkei nach Israel. Das war — leider — notwendig, da der Bürgerkrieg in Syrien eine Durchfahrt durch dieses kulturell so interessante Land unmöglich machte.
Anstatt also weiter Kilometer und Staub “zu fressen”, steigen wir in Adana in ein, von der AOR-Organisation gechartertes Flugzeug und machen uns auf den Weg nach Tel Aviv. Israel, das nunmehr zehnte Land auf unserem Roadtrip, empfängt uns mit wirklich tollem Wetter. Den ersten autofreien Tag seit unserer Abreise verbringen wir im wunderschönen Haifa.

Bereits am nächsten Morgen legt das Fährschiff mit den noch gut 300 Rallye-Autos im Hafen von Haifa an. Man hatte uns im Vorfeld vor dem unvermeidlichen Papier-Kramm gewarnt. Um so erstaunter sind wir, als wir schon nach wenigen Minuten die Fahrzeugpapiere mit einem Lächeln überreicht bekommen.

Halbwegs erholt und vor allem hochmotiviert starten wir zu unserer Reise durch das heilige Land. Zuerst erklimmen wir die Berge im Umland von Haifa und sind begeistert vom Ausblick auf diese tolle Stadt. Weiter geht es nach Nazareth, wo wir einen Blick in die Geburtskirche, eine der heiligsten Stätten des Christentums, werfen.

Je weiter wir in den Süden des Landes vordringen, desto kahler wird die Vegetation und umso interessanter werden die Felsformationen. Die natürliche Grenze zwischen Israel und Jordanien bildet der Jordan. Heute ist der Fluss — der nicht mehr als ein Rinnsal darstellt — der Treffpunkt für den AOR-Rallye-Tross.

Das israelische Fremdenverkehrsamt — begleitet vom Militär — empfängt uns und wir erhalten viele interessante Informationen rund um Israel und seine bewegte Geschichte.
Darauf folgt ein ungeplantes und umso einzigartigeres Highlight: Das Militär öffnet den sonst gesperrten Grenzkorridor und wir fahren im Konvoi durch das Sperrgebiet.

Unsere bis dahin ausgelassene Stimmung kippt ein wenig. Wir werden ruhiger. Hier begreifen wir sehr anschaulich, welche Spannung zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten herrscht. Das Gebiet ist komplett vermint.

Neben dem circa 5 Meter breiten Geröll-Weg entdecken wir tausende von Landminen. Wenn wir hier vom Weg abkommen, dann war’s das…

Nach einer guten Stunde erreichen wir das Tote Meer. Ein Naturschauspiel, das man gesehen haben muss, um es zu begreifen. Mittlerweile ist der Meeresspiegel des Toten Meeres weit abgesunken und man blickt in eine Art Canyon.

Nachdem wir unser Zeltlager für die kommende Nacht aufgeschlagen haben, gönnen wir uns das obligatorische Bad im Toten Meer — eine riesen Gaudi, die wir mit einem kühlen Bier genießen.

Am nächsten Morgen wird es ernst: Wir kommen nun endlich unserem Versprechen nach und besuchen das SOS-Kinderdorf in Bethlehem. Durch Jerusalem erreichen wir die Grenze zum Westjordanland. Das Passieren der Grenze erinnert mich an frühere Grenzkontrollen nach Ungarn oder in die DDR der 80er Jahre. Aber auch hier müssen wir nicht allzu lange warten.

Am Eingang zum SOS-Kinderdorf erwartet man uns bereits. Die nächsten Stunden sind so intensiv, dass ich selbst heute — nach 6 Jahren — immer noch eine Gänsehaut bekomme. Der Chef dieses Kinderdorfes erklärt uns die Funktion und die Besonderheit dieser Einrichtung. Im Anschluß erhalten wir eine Führung und sind begeistert — von der Atmosphäre, die im Dorf und innerhalb der einzelnen “Familien” herrscht.

Auch hier wartet wieder eine besondere Überraschung auf uns: Jeder von uns Frischlingen (zur Erinnerung: unser Team-Name ist “Hachenburger Frischlinge”) wird einer “Familie” zugeteilt und wir verbringen ein paar Stunden inklusive gemeinsamen Mittagessen mit den Kindern.

Eine tolle Erfahrung, die ich sicherlich nie vergessen werden. Diese Kinder sind so dankbar für etwas Aufmerksamkeit.

Leider können wir nicht länger bleiben, aber bevor wir weiter ziehen, haben wir ja noch eine wichtige Aufgabe zu erledigen. Mit der Anmeldung zur Allgäu-Orient-Rallye entstand der Entschluss “Hilfe zu erfahren”. Vor dem Rallye-Abenteuer haben wir Spenden im Wert von mehr als 30.000,- Euro gesammelt, die wir nun übergeben wollen.
Neben dem Spenden-Scheck übergeben wir: Rollstühle, Gehhilfen, Fahrräder, Medizinisches Equipment, Spielzeug und Kinderkleidung. Die Freude ist riesengroß und sowohl bei den Kindern, als auch bei uns fließen die Tränen. An das Strahlen dieser Kinderaugen werde ich noch lange denken.

Hilfe erfahren" war
erfolgreich!Unsere Spenden-Aktion wird übrigens von der weltweit agierenden SOS-Kinderdorf-Organisation mit dem Prädikat “Spender des Monats Mai 2014” bedacht. Das macht uns echt stolz! Aber: hinter dieser Aktion stehen nicht nur die Hachenburger Frischlinge, sondern unsere zahllosen Supporter!

So, jetzt aber schnell! Wir müssen auf direktem Weg zur Grenze nach Jordanien. Für den Rallye-Tross öffnet sie sich für einen zeitlich knappen Korridor. Dieses mal verlangt uns der Grenzübertritt einiges an Geduld ab. Aber nach 4 Stunden ist es geschafft: Wir haben das 12. und letzte Land unserer Reise erreicht — Jordanien!

Bevor wir im Militär-Konvoi durch die Nacht in die Wüste fahren, müssen alle Teilnehmer zur Tankstelle. “Bitte einmal voll machen”, denn in der Wüste gibt es bekanntlich eher selten Zapfsäulen.
Heute übernachten wir im “Hotel der tausend Sterne”. Als der Konvoi zum Stehen kommt ist es bereits mitten in der Nacht und ich falle quasi aus dem Auto, schnappe mir meine Iso-Matte, meinen Schlafsack und lasse mich im Wüstensand nieder. Einen kurzen Moment genieße ich noch diesen unglaublichen Blick in den Sternenhimmel, bevor in einen kurzen aber intensiven Schlaf gleite.

Am vorletzten Tag unserer Rallye geht es richtig los! Endlich geht’s ab in die Wüste. Über eine Startrampe zum größten automobilen Spass, den ich je hatte. Mit atemberaubender Geschwindigkeit über flache und extrem staubige Pisten. Doch Vorsicht: Das nächste Wadi — eine ausgetrocknete Flussdurchfahrt — wartet schon. Also in die Eisen und sehr achtsam durch die steinigen Stellen kurven.

Es dauert nicht lange und schon zahlen wir trotzdem Tribut. Ein, zwei, drei Reifenpannen innerhalb der ersten Stunde. Unser Reservoir an Ersatzräder nimmt flott ab… Wir müssen noch vorsichtiger sein!

Immer wieder treffen wir auf Rallye-Teilnehmer, die es noch härter erwischt hat. Abgerissene Ölwannen und zerstörte Aufhängungen zählen hier zu den Hauptausfallgründen. Auch wir kommen nicht unbeschadet davon: bei einer tiefen Wadi-Durchfahrt reißen wir uns den Auspuff ab. Es hätte schlimmer kommen können. Zudem zeichnet sich unser ansonsten doch recht harmlose Volvo nun durch einen brachialen Sound aus.

Die größte Herausforderung in der Wüste ist allerdings die Navigation. Wie ihr wisst, sind Navis während der Rallye verboten und so kommt es, wie es kommen muss: Wir verlieren die Orientierung und irren stundenlang im Kreis herum. Die Karte nutzt uns auch nichts mehr. Die Wüste verändert sich schneller, als neue Karten gedruckt werden können.


Irgendwann beschließen wir einfach nur noch gen Süden zu fahren, da die Wüste dort irgendwann von einer Landstraße durchquert wird. Aber in der Zwischenzeit haben wir 2 Probleme:
1. wir haben nur noch ein einziges Ersatzrad
2. bald wird es dunkel und man hatte uns davor gewarnt, in der Wüste zu übernachten.…

Gegen 19 Uhr — die Dämmerung steht kurz bevor — stoßen wir auf eine Ruine, die uns als Orientierungspunkt dient. Nun wissen wir, dass ca. 3 Kilometer östlich von uns eine Straße sein muss. Und bis dahin schaffen wir es auch noch, bevor uns die Dunkelheit verschluckt. Was für ein Tag!

Unser Nachtlager schlagen wir an einer Art Tankstelle in Niemandsland auf und sind verwundert, dass nur ca. 10 Minuten nach unserer Ankunft ein Fahrzeug der Militär-Polizei auftaucht. Die Polizisten bewachen uns die komplette Nacht und begleiten uns am nächsten Morgen aus der Wüste hinaus bis zur nächsten Bundesstraße.

Bevor wir heute Nachmittag die Ziellinie überqueren werden, besuchen wir ein Flüchtlingslager. Eine wirklich interessante Begegnung mit Menschen, die ihr Zuhause aufgegeben haben, steht uns bevor. Im Lager lassen wir alles zurück, was uns während der Reise treue Dienste verrichtet hat, nun aber nicht mehr benötigt wird: Schlafsäcke, Zelte, Kleidung, Lebensmittel und Vieles mehr.

Zudem übergeben wir — also alle Rallye-Teilnehmer — die größte Nahrungsmittel-Spende: Reis für 50.000 Mahlzeiten. Den Reis haben wir alle während unserer Tour in den letzten 3 Wochen gesammelt.

In den letzten Stunden, bevor wir das Ziel erreichen wird es recht ruhig in unseren Volvos. Jeder denkt noch einmal an die vielen besonderen Momente und Menschen. Diese Rallye hatte so viel mehr als Raserei zu bieten.
Jordanien zeigt sich noch einmal von seiner schönsten Seite — ein tolles Land.

Als wir die Küstenstrasse am Toten Meer erreichen ist uns allen klar: gleich endet unser Abenteuer Allgäu-Orient-Rallye. Viele Monate haben wir uns und unsere Autos vorbereitet. Haben unzählige Stunden damit verbracht, Spenden zu organisieren und die Tour zu planen. Während der Tour sind wir zu Freunden fürs Leben gereift. Und nun? Alles vorbei?

Keine Ahnung warum. Abgesprochen war es nicht. Wir bringen unsere Rallye-Autos — Hui, Wäller und Allemol — auf der Landstrasse nebeneinander und fahren so einige Zeit in Formation… und passieren dann die Ziellinie!

Nun möchtest Du sicherlich wissen, ob wir das Kamel gewonnen haben. Nein, haben wir nicht. Wir sind vierter im Gesamtklassement geworden. Ganz ehrlich: das bedeutet uns gar nichts. Die Erfahrungen, die Eindrücke und die Freundschaften, die wir während der Tour gewonnen haben, sind viel wichtiger!
Würde ich so eine Tour noch einmal machen? Interessiert dich das wirklich? Dann stay tuned!

